Stroganow Palais

76 Jahre war der Stroganow Palast für die Öffentlichkeit verschlossen, erst 1995 wurde er als Filiale des Russischen Museum wieder für Besucher geöffnet. Das barocke Stadtpalais am Newski-Prospekt wurde zwischen 1752 im Auftrag des Freiherren Sergej Grigorjewitsch Stroganow gebaut. Die Stroganows waren eine der reichsten und mächtigsten Familien in Russland und die ersten, die den Befehl Zar Peters zum Bau von Niederlassungen in der neuen Hauptstadt befolgten. Ihr Palast wurde neben dem Winterpalast der Zaren das größte und am prächtigsten eingerichtete Stadtschloss in Sankt Petersburg.
Das rosafarben-weiße Stroganow Palais zählt zu den ältesten Bauwerken am Newski Prospekt. Über dem bogenförmigen Giebel schmücken zwei Zobel das Wappen der Stroganows, das Haupttor wird von einem Löwenkopf bewacht. Der Palast wurde von dem italienischen Meisterarchitekt Francesco Bartolomeo Rastrelli errichtet. Mit Beendigung der Bauarbeiten im Jahr 1754 wandte sich Rastrelli dem Winterpalst zu und verwendete dort dieselbe elegante Linienführung des Spätbarocks – und dieselben Arbeiter und Handwerker
In seiner barocken Eleganz ist die Fassade an der Moika der Hauptfassade am Newski Prospekt ebenbürtig. An der Moika gestaltete Rastrelli den Palast mit dorischen Säulen, einem großen Balkon und Fensterornamenten aus.
Die Stroganows waren eine Kaufmanns - und Industriellenfamilie, deren Aufstieg zu einer der reichsten und einflussreichsten Familien Russlands bereits im 15. Jahrhundert unter Zar Iwan IV begann. Die Familie Stroganow stammte ursprünglich aus Nowgorod, etwa 180 km südsüdöstlich von Sankt Petersburg. Als die Stadt von Iwan IV zerstört wurde, zog es die Stroganows in den Ural, wo sie mit der Gewinnung von Salz begannen und bald darauf den Salzhandel kontrollierten. Salz war damals in Russland wertvoller als Gold.
Um ihre Ländereien im Ural vor Überfällen durch mongolisch oder türkisch geprägte Khanate zu schützen, unterhielten die Stroganows eigene Truppen und konnten Zar Iwan IV, dem Schrecklichen, mit 10.000 Soldaten im Livländischen Krieg unterstützten. Als Dank erhielten die Stroganows zahlreiche Steuervergünstigungen und den Auftrag zur kolonialen Erschließung Sibiriens, der mit einem Handelsmonopol für Sibirien und der Erlaubnis eigene Festungen zu errichten verbunden war. Die damals noch westlich des Urals in Perm ansässigen Stroganows revanchierten sich für die ungewöhnlichen Privilegien, zu der auch die oberste Gerichtsbarkeit in Sibirien gehörte, mit Pelzen und Goldgeschenken für den Zaren und betätigten sich als dessen Steuereintreiber.
Um 1580 nahmen die Stroganows die Dienste der Kosaken in Anspruch, die zuvor von den Zaren noch als Flusspiraten für vogelfrei erklärt und von Wolga und Don vertrieben wurden. Um 1580 überschritt Kosakenführer Jermak Timofejewitsch in einer von den Stroganows finanzierten Expedition den Ural und besiegte mit einigen hundert Kosaken das mongolisch geprägte Khanat Sibir. Jermak wurde zwar später wieder von Tartaren besiegt, doch er hatte bereits die Eroberung des damals von Europäern noch unberührten Sibiriens eingeleitet. Bei der Eroberung Sibiriens und auch des Kaukasus spielten die orthodoxen Kosaken, die zum Größten Teil aus dem Gebiet der heutigen Ukraine stammten, bis zum 19. Jahrhundert eine entscheidende Rolle.
Freiherr Sergej Grigorjewitsch Stroganow erwarb das Grundstück am Newski-Prospekt im Jahr 1742. Das Palais, an dessen Vorgängerbau teilweise schon seit 1730 gebaut worden war und 1752 bis auf die Grundmauern abbrannte, war nur eine von mehreren Residenzen, die sich die Familie Stroganow in und um Sankt Petersburg erbauen ließen.
Im Jahr 1991 wurde der Palast dem Russsichen Museum übergeben. Seit etwa 1995 wird das Gebäude als öffentliches Museum verwendet, in dem neben der ständigen Ausstellung, zu der das Mineralienkabinett mit seltenen Mineralien aus der Sammlung Alexander Sergej Stroganow gehört, auch regelmäßige Themenausstellungen aus dem In und Ausland zu sehen sind.
Im Museum werden häufig Porzellan und Glas Objekte aus der Sammlung des Russischen Museums gezeigt. Zurzeit ist in einer Sonderausstellung das Porzellan der Familie Jussopow zu sehen. Die Familie Jussopow emigrierte wie die Familie Stroganow nach der Revolution nach Frankreich. Der Besitz der beiden Familien wurde 1918 verstaatlicht und ihre Kunstsammlungen der Eremitage übergeben.
Die Familie Stroganow wurde im Reichtum und ihrer Macht nur von den Zaren übertroffen. Am 18. Mai 1722 entmachtete Zar Peter I den ‚Stroganow Staat‘ im Staat und entzog der Familie alle von seinen Vorgängern verliehenen Privilegien. Als Ausgleich wurden sie in den Adelstand erhoben. Baron Sergei Stroganow, erster Besitzer des Palasts, war hochrangiges Mitglied und Generalleutnant am Hof von Zarin Elisabeth. Unter Sergei Stroganow wurden die Stroganows bedeutende Mäzene und leidenschaftliche Kunstsammler, die Kunsthandwerk aus dem Mittelalter, westliche und asiatische Kunst sammelten. Die Stroganows stifteten schon vor der Entstehung Petersburgs mehrere Kirchen und förderten dabei die russische Ikonenmalerei, die als Stroganow-Schule in die Kunstgeschichte einging.
Einer der bedeutendsten und berühmtesten Mitglieder der Stroganow Familie war Alexander Sergejewitsch Stroganow, der Sohn von Baron Sergei Stroganow. Nach seinem Kunststudium in Genua und Bologna ging er nach Paris um Chemie und Physik zu studieren. Von 1800 bis zu seinem Tod im Jahr 1811 war er Vorsitzender der Akademie der Künste. In dieser Funktion war auch mit der Leitung des Baus der Kasaner Kathedrale beauftragt. Stroganow war Mitglied im Staatsrat und Mitglied des inneren Zirkels um Zar Alexander I. Vor allem war er wie sein Vater ein begeisterter Kunstsammler. Schon während seines Studiums und bei einem zweiten fast achtjährigen Aufenthalt als Diplomat in Paris vermehrte er die Sammlung der Stroganows mit westlicher Kunst, zu der herausragende Gemälde von Boticelli, Van Dyck oder Rembrandt gehörten.
Den barocken Palast seines Vaters ließ er nach dessen Tod 1756 im klassizistischen Stil umgestalten. Für den Umbau beauftragte er Stadtbaumeister Fjodor Demerzow und den damals noch jungen Andrei Woronichin. Stroganow erkannte auf Reisen durch Russland das herausragende Talent seines Leibeigenen und finanzierte ihm ein Studium der Künste in Moskau und Petersburg und der Architektur und Mathematik in Genf und Paris. Der Freimaurer Alexander Sergejewitsch Stroganow starb im Jahr 1811 an einer Erkältung.
Mit dem Umbau des Stroganows Palasts wurde Woronichin als Petersburger Architekt berühmt, beschäftig wurde er aber anschließend hauptsächlich mit Bauwerken für die Stroganows. 1786 wurde Woronichin aus der Leibeigenschaft entlassen. Woronichin wurde kurze Zeit später zum Mitglied der Akademie der Künste und 1800 als Hauptarchitekt mit dem Bau der Kasaner-Kathedrale beauftragt.
Die Stroganow sammelten nicht nur Kunst, zu ihrer Sammlung gehört neben einer umfangreichen Bibliothek auch eine Mineraliensammlung, die bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts die weltweit umfangreichste Sammlung von Mineralien war.
Die Galerie, Bibliothek und das Mineralienkabinett wurden bereits ab 1830 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Im 18. Jahrhundert wurden die Stroganows mit Adelstitel gewürdigt. Alexander Sergejewitsch Stroganow wurde von Kaiserin Maria Theresia zum Graf des Heiligen Römischen Reichs und 1798 von Zar Paul I zum Fürsten des Russischen Reichs ernannt. Am Ende der Leibeigenschaft besaßen die Besitzer des Palastes 100.000 Leibeigene. Zum Besitz gehörten auch 2.2 Millionen Hektar Land, rund 22.000 Quadratkilometer.
Von den ehemals 50 Paradesälen ist nur noch ein geringerer Teil zu sehen, zum Teil befinden sich einige Säle wie die berühmte Kunstgalerie noch in Renovierung. Das Museum besteht zurzeit aus etwa neun größeren Räumen. Der größte Saal befindet sich im Obergeschoss. Der ‚Große Saal‘ ist der einzige Raum im Palast, der noch aus dem von Rastrelli geschaffenen barocken Interieur besteht. Der Saal wurde zwischen 1993-2003 in mehreren Etappen vollständig restauriert.
Kaiserin Elisabeth verwendete am 15.Dezember 1753 den Rastrelli Saal für ihre Geburtstagsfeier. Ihren alten Winterpalast aus der Zeit Peters des Großen ließ sie damals gerade abreißen um Platz für den neuen pompöseren Palast zu schaffen. Sie wohnte in dieser Zeit in einem einfacheren Holzpalast an der Fontanka. Der Saal ist auch als Veranstaltungsraum bekannt geworden, als hier unter dem Vorsitz von Katharina der Großen die Kommission für ihr Neues Gesetzbuch gewählt wurde.
Das in den 1750er Jahren entstandene Deckengemälde „Der Triumph des Aeneas“ von Giuseppe Valeriani ist der Hauptschmuck des Großen Saals. Der italienische Meisterdekorateur kam 1742 nach Petersburg und diente bis zu seinem Tod im Jahr 1762 als Chefkünstler der Petersburger Hoftheater.
Fast alle männlichen Nachkommen der Petersburger Stroganows schlugen durch die Nähe zur Zarenfamilie einen militärischen oder politischen Werdegang ein. Die meisten von ihnen sind in der Familiengruft am Lazarus Friedhof neben den Alexander Newski-Kloster begraben.
Ein weiteres berühmtes Mitglied der Stroganow Familie war Pawel Alexandrowich Stroganow. Der Sohn von Alexander Sergejewitsch Stroganow aus zweiter Ehe mit der Tochter des Fürsten Pjotr Nikitita Trubetskoy, war Patenkind von Zar Paul I und Kindheitsfreund von Zar Alexander I. Seine Ausbildung erhielt er in Paris während der französischen Revolution, später machte er als russische Militär und Staatsmann, Generalleutnant und Generaladjutant von Alexander I. während der napoleonischen Kriege Karriere. In der Schlacht von Borodino wurde er unter General Kutusow zum Kriegshelden, verlor aber in der Schlacht seinen einzigen Sohn.
Um die Stroganows vor dem Aussterben zu retten ging der Grafentitel an den Ehemann der Tochter von Pawel Stroganow, Natalia, über, die mit Baron Sergej Stroganow verheiratet war. Er gehörte zu den Begründern der Archäologischen Kommission und finanzierte die Herausgabe der 'Altertümer des Russischen Staates'
Sergej Stroganow war der letzte Besitzer des Palastes und letzter männliche Nachkomme aus der Petersburger Stroganow Dynastie, er starb 1923 im Pariser Exil.
Der zum größten Teil im Originalzustand gebliebene Palast ist eines der wenigen Privathäuser in Sankt Petersburg, die von der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zur Revolution im Besitz einer einzigen Familie waren.
Nach der Revolution wurden die meisten Gemälde aus dem Palast entfernt und gegen Devisen ins westliche Ausland verkauft oder der Eremitage übergeben. Dort hängen sie heute mit einem Vermerk mit der Herkunft aus der Stroganow Sammlung.
Während des zweiten Weltkriegs wurde auch der Stroganow Palast schwer in Mitleidenschaft gezogen. Der Palast wurde nach dem Krieg zwischen 1948-1954 und in einer zweiten Phase zwischen 1966–1967 restauriert. Für das 300jährige Stadtjubiläum im Jahr 2003 wurde das Stroganow Palais erneut mehrere Jahre lang renoviert. In welchen Zustand das Palais vor den Renovierungen war kann man auf diversen Schautafeln sehen, die in mehreren Räumen aufgestellt wurden.
Schon 1919 eröffnete man das Stroganow Palais wieder als Museum, entschied sich aber 10 Jahre später zur seiner Schließung und quartierte das Institut für Angewandte Botanik im Palast ein. Von 1939 bis 1988 wurde der Palast für wissenschaftliche Forschungseinrichtungen des Leningrader Volkskommissariat für Schiffsbau verwendet.
Neben den Palast am Newski Prospekt besaßen die Stroganows in Sankt Petersburg zwei weitere Paläste am Stadtrand, die aber heute nicht mehr existieren. Über einen von Antonio Rinaldi gebauten Palast ist fast nichts bekannt, die letzten Reste des Palasts am Wyborger Ufer, der ebenfalls von Woronichin umgestaltet wurde und zu dem auch eine ausgedehnte Parkanlage im französischen Stil gehörte, wurden in den 1950er Jahren dem Erdboden gleichgemacht. Von diesem Palast sind nur historische Ansichten und Baupläne übrig geblieben. Auf dem Gelände befindet sich heute eine Militärakademie.
Im Erdgeschoss finden meistens wechselnde Kunst – und Fotoausstellungen junger russischer Künstler statt.
Im Hof befindet sich ein Cafe-Restaurant und der Eingang zu einem Wachsfigurenkabinett, dessen Thema die Geschichte der Romanow und der Stroganow Familie ist.
In naher Zukunft soll nach der vollständigen Renovierung im Palast die dekadente Lebensweise des russischen Adels und Privatsammlungen russischer Adeliger zum Hauptthema des Museums werden.
Stroganow-Palais Google Map russisches Museum (engl.)
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