Unterwegs im Petersburger Stadtverkehr
Wenn man zum ersten Mal nach Petersburg kommt muss man sich erst an die Eigenheiten des russischen Verkehrs gewöhnen, Abenteuer und Überraschungen inbegriffen. Wer nicht unbedingt mit dem eigenen Auto durch den chaotischen Verkehr kurven will (oder muss) kann das öffentliche Verkehrsnetz nutzen, es ist obendrein für unsere Verhältnisse recht preiswert. Sankt Petersburg hat ein gut ausgebautes und effektives öffentliches Nahverkehrssystem. Am interessantesten ist es jedoch die Stadt mit einem Spaziergang zu erforschen, doch wird man in der weitläufig angelegten Stadt öfters auf einige der privaten oder städtischen Verkehrsmittel zurückgreifen müssen.
Bei einem Literpreis um ca. 75 Cent macht Autofahren in Russland noch Spaß, wer aber in Russland selbst motorisiert unterwegs sein will, sollte die grundlegenden russischen Verkehrsregeln kennen und nach Möglichkeit kyrillische Straßen & Verkehrsschilder entziffern können. Motorräder und Autos bis 3,5 Tonnen dürfen im innerstädtischen Verkehr bis 60km/h, auf Landstraßen bis 90km/h und auf der Autobahn bis maximal 90km/h gefahren werden. Der fließende Verkehr hat auf Hauptverkehrsstraßen immer dann Vorrang wenn die Straße durch ein gelbes Quadrat mit schwarz-weißer Umrandung beschildert ist. Auf gleichberechtigten Straßen gilt wie bei uns rechts vor links, in Russland gilt diese Regel aber auch im Kreisverkehr. Unabhängig davon genießen Autobusse und Straßenbahnen immer die Vorfahrt. Von Winterschäden abgesehen sind die Straßen im Zentrum von Sankt Petersburg im guten Zustand, je weiter man sich jedoch vom Zentrum entfernt, desto unterschiedlicher wird der Straßenzustand. Die Haupt und Fernstraßen werden noch gut instand gehalten, in den Seitenstraßen muss man aber oft mit tiefen Schlaglöchern rechnen. Außerhalb der Stadt und teilweise auch am Stadtrand sind unbefestigte Straßen noch ein normaler Teil des russischen Straßenverkehrs.
In der Rush-Hour („Tschas-Pik“) ist das Zentrum mit Sicherheit verstopft, die fast 4,5 Kilometer lange Strecke über den Newski Prospekt kann dann mit dem Auto durchaus eine gute Stunde oder mehr dauern. Von der Sommerzeit abgesehen, in der viele Petersburger ihren Urlaub in den Datschen verbringen, steht Petersburg vor dem absoluten Verkehrsgau und das nicht nur wegen der hohen Anzahl von Autos oder der Disziplinlosigkeit der Autofahrer. Schon bei kleinen Blechschäden bricht oft der ganze Verkehr zusammen, jeder Unfall muss der Miliz gemeldet werden. Die bei einem Unfall beteiligten Fahrzeuge dürfen nicht auf die Seite gefahren werden solange der Unfall nicht von der staatlichen Kraftfahrzeuginspektion (GAI), eine Abteilung der Miliz, aufgenommen wurde und das kann dauern. Wer in Russland ohne fremde Hilfe mobil bleiben will sollte sich tunlichst bei einem der hiesigen Verkehrsclubs nach den aktuellen Bedingungen und Regeln in Russland erkundigen, auch sollte man wissen, dass die Deckungssummen der russischen Haftpflichtversicherung relativ niedrig sind. Es versteht sich von selbst das man bei einem Unfall keine Schriftstücke unterzeichnen kann, deren Inhalt man nicht versteht oder lesen kann. Auf die Unterstützung eines Rechtsanwalts wird man dann nicht mehr verzichten können.
Die U-Bahn wird in Sankt Petersburg Metro genannt, sie ist das zuverlässigste und schnellste öffentliche Verkehrsmittel in der Stadt. Viele Stationen sind schon eine Sehenswürdigkeit für sich, allerdings kann es manchmal fünf Minuten oder länger dauern bis man die Bahnsteige erreicht. Die am 15. November 1955 eröffnete Metro gehört zu den tiefsten U-Bahn Systemen der Welt, einige Stationen wurden wegen der sumpfigen Oberfläche und der Unterquerung der Newa bis zu 100 Meter tief gebaut. Die Metro wird täglich von fast 3 Millionen Menschen genutzt, zwischen 6 und 10 Uhr vormittags und abends zwischen 16 und 19 Uhr herrscht in den Bahnen ein großes Gedränge, obwohl die Frequenzen der An und Abfahrten sehr hoch sind. Tagsüber wartet man selten mehr als zwei Minuten. Im Gedränge der Metro muss man immer auf seine Wertsachen achten, die öffentlichen Verkehrsmittel (auch Bus und Straßenbahn) sind bei Taschendieben besonders beliebt. Die Metro verkehrt von einigen Feiertagen ausgenommen zwischen 5:45 und 00:30, die letzten Züge starten um 24:00 an den Endstationen
Vororte und Bereiche in der Stadt, die nicht von öffentlichen Verkehrslinien angefahren werden, sind meistens gut mit den Marschrutkas erreichbar. Die von privaten oder öffentlichen Gesellschaften betriebenen Marschrutkas sind Kleintransporter vom Typ Ford Transit, Mercedes Sprinter oder russische GAZelle und fahren auf festgelegten Strecken. Das Wort Marschrutka (Marschroute) stammt von den deutschen Wörtern „Marsch“ und „Route“ ab. Jede Marschrutka Strecke hat ihre eigene Linien-Nummer. Marschrutkas wurden zum ersten mal 1930 in Moskau eingesetzt, gefahren wurde damals mit russischen ZIS-101 Limousinen.
Auf der Strecke kann man die Marschrutkas überall anhalten, indem man wie beim Trampen Handzeichen gibt oder den Daumen raus streckt. Man sollte dabei aber achten, dass der Fahrer auch eine Möglichkeit zum Halten hat. Sie sind zwar nicht so günstig wie die öffentlichen Verkehrsmittel, aber dafür weitaus schneller und bequemer. Marschrutka sind relativ schnell unterwegs und preiswert. Es gibt eine Vorschrift, dass jeder Wagen die Strecke und den Fahrpreis von außen am Fahrzeug gut ersichtlich anbringen muss. Der Fahrpreis ist ein Einheitspreis, der für die ganze Strecke gilt, egal wo man ein oder aussteigt. Tickets gibt es bei den Marschrutkas nicht, das Fahrtgeld wird während der Fahrt bezahlt, sitzt man nicht direkt hinter dem Fahrer sind die anderen Fahrgäste beim Weiterleiten des Geldes bzw. des Wechselgeldes behilflich. Die richtige Linie zu finden ist nicht immer einfach, da hilft nur fragen oder man verwendet den Routenplaner auf vse-marshrutki.spb.ru, der bei der Suche nach der richtigen Marschrutka Linie mittels Doppelklick auf zwei Orte unterstützt.
Die Bus Flotte in der Innenstadt ist zum größten Teil modernisiert und auf westlichen Level. Die Bus-Stecken werden mit Gas oder Diesel Fahrzeugen (Awtobus) und mit Elektro Fahrzeugen (Trolleijbus) bedient. Die meisten Busse fahren zwischen 6 Uhr und 24 Uhr, einige beginnen auch früher und fahren bis ca. 00:30. Die Haltestellen des etwas unübersichtlichen Busnetzes sind in Google Maps verzeichnet. Die Haltestellen der Dieselfahrzeuge erkennt man an einem gelben Schild mit einem A (für Awtobus). Die Haltestellen der elektrischen Buslinien (Trolleybus) haben ein rotes T auf weißem Hintergrund.
Eine große Verbesserung des Öffentlichen Nahverkehrs wurde im Juli 2012 eingeführt. An Wochenenden und Feiertagen fahren jetzt entlang der fünf Metrolinien Nachtbusse. Die Busse fahren zwischen 24 Uhr und 6 Uhr morgens und kosten denselben Preis wie eine Metrofahrkarte. Manche Linien eigenen sich richtig gut für eine Sightseeingtour, Tickets gibt es beim Schaffner, der Fahrpreis ist immer auf der Rückseite der Fahrerkabine angeschrieben. Für die Busse gibt es kombinierte elektronische Kombikarten mit Mengenrabatt, die auch in der Straßenbahn gültig sind.
Sankt Petersburg hatte noch vor ein paar Jahren mit über 600 Kilometer Schienen das weltweit größte Straßenbahnnetz, das zusammen mit den Trolleybussen über 475 Millionen Passagiere pro Jahr beförderte. Das Straßenbahnnetz ist in den letzten Jahren erheblich reduziert worden, es gibt aber wegen dem leidigen Stauproblem auch Bestrebungen stillgelegte Linien wieder zu aktivieren wie z.B. auf der Sadowaja Straße. Auch der Flughafen Pulkowo soll ab 2014 mit der Straßenbahn erreichbar sein.
Die oft noch relativ langsamen und fast museumsreifen Straßenbahnen verkehren ab 6 Uhr morgens und sind bis Mitternacht in Betrieb. Mittlerweile gibt es auch modernere und schnellere Bahnen. Einzelfahrscheine gibt es auch hier beim Schaffner, der Fahrpreis ist ebenfalls immer auf der Rückseite der Fahrerkabine ersichtlich.
Als Elektritschka werden die russischen Nahverkehrszüge bezeichnet. Elektrischkas eignen sich gut um zu den Sehenswürdigkeiten in den Vororten, wie z.B. Peterhof oder Zarskoje Selo zu kommen. Fahrkarten kann man an den größeren Bahnhöfen am Schalter ('Kassa') kaufen. Einfachfahrten sind nicht teurer als eine Rückfahrkarte. Die Fahrkarten kann man ausgenommen der Kopfbahnhöfe auch beim Schaffner ohne Aufpreis kaufen. Dazu sollte man die Einsteigestation und den Zielbahnhof auf Russisch kennen, die meisten Schaffner werden kein Englisch verstehen.
Die Elektritschka ist in etwa mit unserer Schnellbahn vergleichbar, es gibt keine Abteile oder Toiletten. Als Sitze dienen einfache Holzbänke. Das Ticket sollte man nach dem Aussteigen gut aufbewahren, da man es unter Umständen am Zielbahnhof für den Scanner am Drehkreuz des Bahnhofs-Ausgangs benötigt.
In Petersburg gibt es keine einheitliche Taxi Organisation. Es gibt zahlreiche Unternehmen, die meistens die ganze Nacht hindurch fahren. Am besten organisiert man sich ein Taxi per Telefon. Dann bekommt man auch den Fahrpreis genannt, an den sich der Taxifahrer halten muss. Bevor das Taxi kommt ruft die Gesellschaft zurück und nennt Wagentyp und Kennzeichen. Wer sich ein Taxi an der Straße herbeiruft, sollte vor dem Einsteigen den Preis aushandeln, bei Ausländern wird dabei natürlich immer versucht, einen höheren Preis zu verlangen. Neben den offiziell registrierten Taxis gibt es nicht selten Privatfahrer, oft Rentner oder Emigranten aus dem asiatischen Teil Russlands, die sich nebenbei einige Rubel dazuverdienen wollen. Bei diesen Taxis ist der Fahrpreis Verhandlungssache, ihre Fahrzeuge sind meistens nicht als Taxi erkennbar. In der Politik gibt es Bestrebungen, die illegalen Taxis zu verbieten und nur mehr offiziell registrierte Taxis mit Taxameter, Schachbrettmuster und Taxi Licht zuzulassen.
Fahrradfahren kommt in Sankt Petersburg immer mehr in Mode, mittlerweile gibt es auch einige Möglichkeiten moderne Fahrräder auszuleihen. Ausländische Touristen, die mit dem russischen Verkehr nicht vertraut sind, sollten sich bewusst sein, dass viele einheimische Autofahrer nicht unbedingt zu den rücksichtvollsten Europas gehören und deren Grundwortschatz im Straßenverkehr nicht unbedingt aus Wörtern wie „Sicherheitsabstand“ oder „Fairness“ besteht, auch werden Fahrradfahrer meistens als Verkehrshindernis angesehen. Die ungefährlichsten Strecken zum Fahrradfahren verlaufen im Zentrum entlang der beiden Newa-Ufer, beide Ufer sind mit einer breiten Fußgängerzone gesäumt, und auf den nördlichen Inseln, wo es relativ viele autofreie Bereiche gibt. Ansonsten gilt defensives Fahren und soweit wie möglich von allen motorisierten Fahrzeugen Abstand halten.
Mit einer Verringerung des Personalstands und bei gleichzeitiger Erhöhung des Gehalts will Präsident Medwedew die Korruption und Wegelagerei der Miliz bekämpfen. Die bei der Bevölkerung ziemlich gefürchtete und unbeliebte Miliz kassiert (nicht nur bei Verkehrsdelikten) oft ohne Quittung in die eigene Tasche und gleichzeitig anteilig für Kollegen und Vorgesetzte mit.
Mercedes gehört eher nicht zur Standardflotte der Petersburger Polizei, größtenteils werden von den meisten Polizeibehörden noch Lada‘s und UAZ Geländewagen verwendet, ab und zu sieht man in Petersburg auch einen Ford Focus. Im Frühjahr 2011 wurde die Miliz aus Imagegründen reformiert und wieder in Polizei umbenannt, auch wurden geänderte Regeln und Pflichten für die Beamten festgelegt. Alle Beamten wurden überprüft und mussten einen neuen Tauglichkeitstest überstehen, ihre alten Dienst-Verträge wurden davor aufgelöst. Die 'Milizija', die Arbeiter- und Bauernmiliz, wurde während der Revolution 1917 gegründet, um sie von der verhassten zaristischen Polizei abzuheben. Ob Medwedew's Reformen Erfolge bringen wird die Zukunft zeigen, viele Einheimische sind da noch skeptisch.
Bei manchen Delikten, bei denen man bei uns wahrscheinlich in Handschellen abgeführt werden würde, drückt die Polizei noch ein Auge zu und hält sich im Hintergrund. Wenn sich der übliche Berufsverkehr aufgelöst hat, entwickelt sich der Newski Prospekt zur nächtlichen ‚Quarter Mile‘, bei der die Leistungsfähigkeit meist ausländischer Produkte im Zwei- und Vierradbereich gegeneinander verglichen wird, und das nicht gerade selten. Ein Hotelzimmer mit Blick auf den Newski Prospekt kann zwar interessant sein, aber Lärmempfindliche sollten wegen der röhrenden Acht- und Zwölfzylinder und brüllenden 4-1 Anlagen japanischer Superbikes solch ein Zimmer möglichst vermeiden.
Viele Fußgängerübergänge sind mit sogenannten Countdown Ampeln ausgestattet, bei der den Fußgängern die noch verbleibende Zeit zur Straßenüberquerung mit einer Art digitalen Sanduhr angezeigt wird. Trotzdem muss man auch als Fußgänger immer noch höllisch aufpassen. Die Polizei versucht zwar mit immer mehr mobilen und stationären Geschwindigkeitskontrollen gegenzusteuern, es wird aber wahrscheinlich noch eine Zeit lang dauern bis sich der ‚russische Fahrstil‘ ändert. Extremes Auffahren, rasen und rücksichtloses Drängeln gehört auch in Petersburg noch zur ‚normalen‘ Fahrweise, bei der man manchmal nur den Kopf schütteln kann, auch wenn man selbst nicht zu den strengsten Verfechtern der deutschen Straßenverkehrsordnung gehört. Obwohl die russischen Gesetze zum Schutz der Fußgänger erheblich verschärft wurden, wird das inoffizielle Gesetz des Stärkeren universell ausgenützt. Man sollte sich also nicht auf die Sanduhr verlassen, unabhängig wie viele Fußgänger sich noch auf dem Zebrastreifen befinden, die Sanduhr wird von vielen Autofahren mehr als Countdown für einen Kavalierstart verstanden.
Die Stretchlimousinen gehören mittlerweile zum normalen Stadtbild und sind fast zur Tradition bei Hochzeitsgesellschaften geworden. Die Brautleute benutzen die Limousinen um sich mit dem Fotografen von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten kutschieren zu lassen. Neben den Hochzeitsfahrten kann man die Stretchlimousinen auch für Partys, Sightseeing-Touren und Flughafentransfers mieten, eine Stunde kostete zwischen 70 und 80€, je nach Modell. Stretchlimousinen gab es von fast von jedem Modell der Oberlasse, von einem Audi A8 bis zum Hummer H6 in verschiedenen Längen, auch Transporter wie der VW Multivan oder Mercedes Sprinter werden zu Stretchlimousinen umgebaut. Petersburger Stretchlimousinen kann man bereits auf mehreren deutschsprachigen Seiten im Internet buchen.
Wer Sankt Petersburg aus der Vogelperspektive erleben will kann mit einem Hubschrauber von Baltic Air über die Stadt fliegen. Die 15 Minuten langen Rundflüge starten an der Peter und Paul Festung und sind für etwa 50€ direkt an Ort und Stelle buchbar.
Da ich leider selbst nie mit dem Hubschrauber mitgeflogen bin bleiben mir nur die Fotos von EnglishRussia (Sankt Petersburg from a Helicopter..) oder die gutgemachte virtuelle Vogelperspektive von Yandex , die es hier... gibt. (für einen virtuellen Flug einfach auf die Ballonsymbole klicken)
Kommentar hinterlassen